Warum die digitale Transformation nichts mit Technologie zu tun hat und die meisten Mittelständler mehr Mut benötigen, das zu nutzen, was sie bereits haben. Ein Appell an den deutschen Mittelstand.

 

1. Vorwort

 

In den letzten Jahren kam es zu einem inflationären Gebrauch der Begriffe Digitalisierung, Industrie 4.0, Arbeiten 4.0, Blockchain u.v.a., sodass man schnell den Eindruck gewinnt, dass der Gebrauch dieser in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zum eigentlichen Verständnis steht. Ja, man kann sie nicht mehr hören, diese unsäglichen Buzzwords.

Trotzdem wird fast jedes Meeting davon dominiert und man hört sie auf jeder Veranstaltung, sowie auf Aktionärsversammlungen, wo sich die Vorstände großer Konzerne damit brüsten welche Initiativen und Projekte sie in diesem Bereich bereits auf den Weg gebracht haben und wie “digital” ihr Unternehmen bereits ist.

Das Gleiche gilt übrigens für die sogenannten Heilsbringer – die Beratungen. Ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass fast alle Beratungen sich ebenfalls mit diesen schönen Buzzwords schmücken?

Was vorher eine Kreativ-, Werbe-, oder Kommunikationsagentur war, ist neuerdings eine Beratung für digitale Transformation. Und so haben diese Agenturen jetzt eine Lösung für ihre Kunden parat, welche sie vor Jahrzehnten unter einem anderen Namen verkauft haben – nur mit dem frischen Anstrich der digitalen Transformation.

Die Motivation dahinter ist verständlich – sie wollen auf der Erfolgswelle mitreiten und treiben sprichwörtlich “die neue Sau durchs Dorf”, statt ihre Kunden wirklich nachhaltig zu beraten. Letzteres geht nur, wenn man erkannt hat, was wirklich hinter dieser Herausforderung steht und womit sich der Mittelstand konfrontiert sieht.

In diesem Beitrag werde ich deshalb erläutern warum:

  • der Mittelstand bei der Digitalisierung bzw. Innovation oft hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und wie er sich von den vermeintlichen Profis1 über die Anforderungen an ihre Organisation einschüchtern lässt,
  • sich diese Transformation mit traditionellen Denkmustern und Organisationsformen nicht erfolgreich umsetzen lässt,
  • das scheinbar “neue” Thema eine uralte Herausforderung ist, die es schon seit Anbeginn des Industriezeitalters gibt
  • und die Herausforderungen der Digitalisierung nichts mit Technik oder Technologie zu tun hat.

Ich werde mich in diesem Artikel zwar primär an den Mittelstand wenden, doch trifft dieser Artikel durchaus auf alle Unternehmensgrößen zu.

 

2. Digitalisierung: Hype oder Herdentrieb?

 

Die Entwicklung der Digitalisierung drückt in gewisser Weise eine Ohnmächtigkeit der Unternehmen aus, sich einer sich verändernden und immer komplexer werdenden Welt schnell genug anzupassen. Ihre bestehenden und oft schon tradierten Geschäftsmodelle werden von einer Generation mit stark verändertem Kaufverhalten und Startups grundlegend infrage gestellt.

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Für viele ist der Schuldige scheinbar schnell gefunden: Die immer stärker aufkommenden und eingesetzten Technologien. Doch steht die Digitalisierung tatsächlich mit technischen Fragen im Zusammenhang, oder geht es hierbei in Wirklichkeit um etwas ganz anderes?

Die Transformation ist nicht eine Frage der Technologie. Kein Mensch braucht die digitale Transformation. Es ist vielmehr eine organisationale Transformation, auf die sich mittelständische Unternehmen vorbereiten müssen.

Insofern ist selbst der in Deutschland gewählte und genutzte Begriff der “Digitalisierung” schlecht gewählt. Er wirkt fast so wie ein spontaner geistiger Erguss der Namensgeber und führt viele in die Irre. Lee Rainie vom Pew Research Center drückt es sehr pointiert aus:

At the same time, […] Germans […] rely too much on one vague word, limit their time horizon and thus their imagination. Germans still think they can slow progress down and even halt it if it gets too dangerous. To Americans there is an inevitability. Name is destiny, as the old saw goes. Perhaps Germans should embrace yet another buzzword: late-mover advantage.

Trotz dieses Hypes wird die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer grundlegenden Transformation für den Mittelstand unausweichlich bleiben. Und diese organisationale Transformation steht nicht erst seit ein paar Jahren vor den Türen der Unternehmen, sondern schon seit Aufbruch vom industriellen Zeitalter ins Zeitalter der Wissensgesellschaft. Was wir heute durchleben, sind Prozesse, die vor mehr als 100 Jahren begonnen haben. Ein altes Thema also.

Im Kern geht es darum wie bestehende Unternehmen es schaffen unter veränderten Bedingung zu innovieren und konkurrenzfähig zu bleiben. Wer sich bei diesen Veränderungsprozessen nur auf Technologien und die dahinterstehenden (digitalen) Geschäftsmodelle fokussiert, hat leider das ursächliche Problem nicht verstanden. Die riesigen Potentiale anderer Innovationsformen (z.B. Organisations- oder Serviceinnovationen) werden somit komplett ausser Acht gelassen. So lindert man im besten Falle nur die Symptome. Oder anders formuliert, das wäre so als würde man behaupten die Herausforderung der Industrialisierung zum Ende des 19. Jahrhunderts hätte für die Gesellschaft hauptsächlich in der Weiterentwicklung technischer Standards gelegen.

Was sich jedoch grundlegend geändert hat ist die Geschwindigkeit mit der diese Veränderungen eintreten. Daraus folgt, dass Unternehmen ihren Umgang mit der Marktdynamik, -komplexität und Ambiguität entsprechend anpassen müssen.

 

3. 4.0 Everything!

 

Alle 4.0-Versprechen erliegen leider einem fatalen Denkfehler, nämlich einem der einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen digitaler Vernetzung mit anderen Unternehmen und der eigenen Arbeitsweise herstellt bzw. einen unternehmerischen Erfolg suggeriert, nur weil man digitalisiert. Oder wie es Thorsten Dirks, ehem. CEO von Telefónica Deutschland sagt:

“Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren,
dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.”

Der Mittelstand kann so viel automatisieren und vernetzen wie er will, dies wird nicht dazu führen, dass sich die Arbeitsweise in den Unternehmen grundlegend ändert.

Hier wirken ganz andere Kräfte, die sich über viele Jahre und Jahrzehnte etabliert und gefestigt haben – Kräfte wie Glaubenssätze, Werte, Normen, Regeln, Gesetze usw. Diese verändern sich nicht so einfach und schnell wie die Einführung eines neuen Buzzwords wie Industrie 4.0, IoT (Internet of Things) oder Plattform-Ökonomie. Ein Unternehmen bleibt ein komplexes und lebendiges Gebilde aus Menschen.

Der Wunsch Prozesse effizienter und schlanker zu gestalten, stammt aus dem Industriezeitalter. Hier ging es primär darum, Arbeitsprozesse die überwiegend aus repetitive Aufgaben bestanden, zu optimieren. Sicherlich gibt es heute und morgen nach wie vor Platz, um Prozesse effizienter zu gestalten, aber die Zeiten, sich allein darauf zu fokussieren, sind größtenteils vorbei und die entsprechenden Dogmen sind ebenso überholt.

Unsere Welt ist zu komplex geworden und weist kaum mehr repetitive Bestandteile auf. Heute geht es vielmehr um Dinge wie Kreativität, Mut Neues zu probieren und mehr Agilität in sich schnell verändernden Märkten. Mit altertümlichen Denkmustern wird diese Komplexität und Ambiguität kaum zu meistern sein.

Diese Herausforderung ist mit linearen Denkmodellen nicht zu bewältigen. Man muss sich stattdessen an mögliche Lösungen “herantasten” bzw. annähern. Und hier haben sich iterative Herangehensweisen sehr bewährt. Welche Werkzeuge (Methodiken) dazu eingesetzt werden, sei es Design Thinking, Circular Design, Lean Startup oder Strategic Foresight, ist letztendlich zweitrangig.

Was nützt uns all die Technologie mit ihren unendlichen Möglichkeiten, wenn die Geisteshaltung in den Unternehmen die Gleiche bleibt?

Der Mittelstand muss die Komplexität und ihre Folgen endlich akzeptieren. Das heißt er muss auf vereinfachte Weltbilder verzichten und die Unvorhersagbarkeit und Intransparenz sowie Dynamik der Märkte hinnehmen und lernen damit entsprechend umzugehen. Der Fokus muss wieder auf die eigentliche Wertschöpfung (“Jobs to be done”) gelegt werden. 

“Wenn wir mit Innovation Erfolg haben wollen,
müssen wir Ungewissheit nicht nur ertragen,
sondern wir müssen sie gezielt suchen.”
– Tim Kastelle

 

4. Big Data, wenig Durchblick oder wie es der Rapper The Notorious B.I.G ähnlich konstatiert hat: Mo’ Data, mo’ Problems

Statt den beschriebenen Umstand zu akzeptieren, klammert sich der Mittelstand an das nächste Buzzword – “Big Data” – und verspricht sich davon die Erlösung von der Komplexität.

Das Motto lautet hierbei: “Viel hilft viel!”. Die Sammlung und Anhäufung von Unmengen an Daten soll dabei helfen, genauere Prognosen und Entscheidungen zu treffen. Auch hier treffen wir erneut auf einen fatalen Denkfehler. Gute Entscheidungen werden mittels relevanter Informationen getroffen, nicht auf der Grundlage von möglichst vielen.

Führen wir uns das nochmal vor Augen: Wenn wir sprichwörtlich die Nadel im Heuhaufen suchen, soll uns mehr Heu (Daten) dabei helfen die besagte Nadel schneller zu finden? Genau das haben schon die NSA und der deutsche BND versucht. Das Ergebnis: Kein einziger Anschlag wurde bisher durch die riesigen Datenmengen vereitelt2. Und wenn es unsere gut finanzierten Geheimdienste nicht schaffen, wie hoch stehen die Chancen, dass der Mittelstand sich dazu in der Lage sieht?

“Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann,
ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.” — George Santayana

Es geht also weniger um die Menge der Daten als vielmehr um die Qualität ihres Informationsgehaltes und um die Schlüsse, die man aus ihnen zieht. Und glaubt man den Anbietern von Big-Data-Lösungen, so wird ohnehin nur ein kleiner Prozentsatz der Daten auch tatsächlich analysiert. Trotzdem sind es just jene Anbieter, die in der Regel mit “Big Data” werben und dabei versprechen, mit ihren Lösungen eine völlig neue Interpretation der Daten herbeiführen zu können.

Weltweit werden fast unvorstellbare Datenmengen generiert und gespeichert und es werden täglich exponentiell mehr. Trotzdem haben viele Führungskräfte das Gefühl, nicht genügend Informationen an der Hand zu haben – sie leiden unter Informationsmangel, aufgrund von zu vielen Daten. Aus diesem Grund sammeln Sie immer weiter Daten in der Hoffnung, so zu besseren und belastbaren Entscheidungen zu gelangen. Ein Teufelskreis, der mich an das folgende und treffende Video erinnert:

Das kann jedoch niemals gelingen, da sich Unternehmen in einem unvorhersehbaren und sich dynamisch ändernden Kontext befinden. In einem solchen Umfeld ist es schon per Definition unmöglich, alle Informationen zu erfassen.

Solange den Unternehmen das nicht bewusst wird, werden sie auch weiterhin ihrer Datensammelleidenschaft nachgehen, was wiederum bis zur Entscheidungslosigkeit führen kann. Der Amerikaner nennt das dann treffend “analysis paralysis”3.

Die gute Nachricht: auch wenn unser Gehirn nie auf die Verarbeitung großer Datenmengen ausgelegt war, hat unser Denkorgan einen evolutionären Vorteil in die Wiege gelegt bekommen – den der kreativen Schöpfung und Problemlösung. Wir sind zudem Experten im Erkennen und Verarbeiten von relevanten Informationen und Mustern.

Gelingt es dem Mittelstand, diesen Evolutionsvorteil auf das eigene Unternehmen zu übertragen, nach dem Motto “Weniger ist mehr”, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Anstatt die Datenmengen ins Unendliche anwachsen zu lassen und KPIs und Berichte zu erstellen, sollten die Grundlagen der Informationsgewinnung und -bewertung grundsätzlich hinterfragt werden. Welche Informationen werden für welchen Zweck wirklich benötigt? Welche Erkenntnisse versprechen wir uns dadurch? Und welche Quellen enthalten die Informationen, die wir suchen?

 

5. Wie sich der Mittelstand mit seiner Hierarchie und Organisationsform selbst im Weg steht

 

Wir erinnern uns? Digitalisierung ist irgendwie zu einem wichtigen Thema geworden. Ein Topthema, welches ein Unternehmen mit ein, zwei Handgriffen ganz einfach in den Griff bekommt – so zumindest wird es suggeriert. Wir brauchen lediglich einen Verantwortlichen samt Abteilung, der sich um die Digitalisierung kümmert (und den man im Worst Case auch für das Scheitern verantwortlich machen kann). Diese Person erhält dann noch einen schönen Titel, wie z.B. CDO (Chief Digital Officer), ein Team, ein üppiges Budget – und zack haben wir die Digitalisierung im Griff, getreu dem deutschen Verwaltungsspruch:

„Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“.


Damit versucht der Mittelstand das Problem, resultierend aus einer funktionalen Teilung, mit einer neuen funktionalen Teilung zu lösen.
 Das wäre so, als würde man versuchen, einen Brand mit Kerosin zu löschen. Und genau das tut der Mittelstand mit seinen heutigen Organisationsstrukturen. Aber alles der Reihe nach. Gehen wir im Einzelnen durch, warum auch das zum Scheitern verurteilt ist.

Die häufigste Organisationsstruktur, die man heute beim Mittelstand immer noch vorfindet ist die funktional-hierarchische Pyramide (einfach zu merken: “Oben wird gedacht, unten wird gemacht.”).

Genau das ist auch die Organisationsstruktur wie sie einst der Effizienzpapst Frederick W. Taylor in seinem Managementkonzept postuliert hat. Doch wenn der Mittelstand bei seiner tayloristischen Pyramidenstruktur bleibt, werden alle Versuche, der Herausforderung Herr zu werden, an der Organisation schlichtweg abprallen.

 

5.1 Überkomplexe Strukturen verhindern, dass Unternehmen schnell genug auf Veränderungen reagieren können

 

Damit die Führung Entscheidungen treffen kann, benötigt diese u.a. Informationen über Markt, Kunden, Lieferanten, Wettbewerb u.v.m. Diese Informationen kommen meist von der direkt wertschöpfenden Ebene ganz “unten” und müssen entsprechend nach oben transportiert werden. Hierbei werden die Informationen auf dem Weg nach “oben” so lange bereinigt, beschönigt, ergänzt oder anderweitig verändert, bis sie ihren eigentlichen Informationsgehalt verlieren. Diesen Effekt kennen wir dann als “Stille Post”-Effekt. Bis diese wenig hilfreichen Informationen über einen Markt dann in der Chefetage angekommen sind, hat sich der Markt selbst sprichwörtlich schon wieder 5 mal gedreht.

Ein weiteres Problem: Entscheidungen werden nicht nach dem Subsidiaritätsprinzip getroffen, also dort wo die Wertschöpfungs- und Marktkompetenz vorhanden ist. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass eine Aufgabe oder Entscheidung möglichst von der kleinsten „zuständigen“ Einheit übernommen bzw. getroffen werden soll. Und das sind i.d.R. einzelne Mitarbeiter, die den direkten Zugang zu den jeweiligen Informationen haben.

5.2 Starre Strukturen fördern Silodenken und -handeln

 

“Compensation drives behaviour!” Diese Selbstverständnis findet sich in jedem Unternehmen wieder. Die Entlohnung ist dabei fast immer an konkrete Jahresziele geknüpft, die wiederum regelmäßig in Personalgesprächen überprüft werden. Ziele gibt es nicht nur für jeden einzelnen Mitarbeiter, sondern auch für jede Abteilung. Eine Incentivierung fördert schließlich die Zielerreichung der Mitarbeiter innerhalb ihres Einflussbereiches. So zumindest die Theorie.

Heute ist jedoch, stärker denn je, interdisziplinäres Arbeiten gefordert und unumgänglich. Interdisziplinäres Arbeiten auf der einen Seite jedoch zu fordern, auf der anderen Seite hingegen die starre funktional-hierarchische Unternehmensform beizubehalten, ist aus Mitarbeitersicht höchst widersprüchlich. Es ist so, als befehle der Chef: “Denke quer, aber halte dich bitte an unsere etablierten Grundsätze!”

“So sind fast alle Innovationserfolge des letzten Jahrzehnts:
Man hat eine geglaubte Regel gewählt und sie dann einfach rausgeworfen.”
– Seth Godin

 

5.3 Macht und Struktur widersprechen der cross-funktionalen Vernetzung und Zusammenarbeit

 

Macht und Kontrolle sind selbst in der formal-hierarchischen Organisation eine Wunschvorstellung, da es in Unternehmen immer eine gewisse Vernetzung gibt. Das Problem an einem funktional-hierarchischen Unternehmen zeigt sich jedoch im Fall von Unklarheiten oder Konflikten. Mitarbeiter wählen dann meist den formalen Weg über Vorgesetzte, statt in den Diskurs zu gehen und diese Konflikte gemeinsam zu lösen. Und das, obwohl die oft noch vorherrschenden Führungsstile durch Legitimation, Bestrafung oder Belohnung sich nachweislich als weniger erfolgreich erwiesen haben, als eine vertrauensbasierte Führung.

Macht und Kontrolle erfüllen jedoch noch eine andere Funktion – der eigene Status quo soll damit erhalten bleiben. Noch immer ist der Idealtypus einer vorbildlichen Führungskraft jemand, der alles unter Kontrolle zu haben scheint und alles weiß. Eine übergreifende Vernetzung setzt jedoch voraus, auf Macht und Kontrolle zu verzichten. Führungskräfte müssen bereit sein, auf diesen Einfluss zu verzichten. Aber genau das fällt vielen Führungskräften und Geschäftsführern­ noch sehr schwer.

Die digitale Transformation wandelt keinen Mittelständler in eine Netzwerkorganisation um. Eine übergreifende Vernetzung ist eine Frage der Geisteshaltung und nicht mit einer technischen Schnittstelle spezifizierbar.

 

6. Zusammenfassung und Empfehlungen

 

Der Mittelstand befindet sich inmitten einer Transformation. Eine Transformation, die mit der Digitalisierung nichts zu tun hat. Stattdessen ist es eine organisationale Transformation, die in einer Welt mit zunehmender Komplexität und Dynamik unumgänglich ist. Das Problem heißt also nicht Digitalisierung, sondern Veränderungsfähigkeit und Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unter veränderten Bedingungen.

Alle Technologien und sich daraus ergebende Möglichkeiten bringen nur wenig, wenn das Mindset und die alten Denkmuster beim Alten bleiben. Denn diese produzieren eben nur die gleichen Ergebnisse wie bisher. Es scheint fast so, als habe sich ein pawlowscher Reflex bei den Unternehmen eingestellt, der immer wieder das gleiche Verhaltensmuster auf große Herausforderungen hervorbringt. Dieser Reaktionismus ist Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit. Albert Einstein hat es so auf den Punkt gebracht:

“Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.”

Dabei braucht der Mittelstand keine Technologie-Nachhilfe, sondern muss stattdessen die Bewahrermentalität des Status Quo aus dem Weg schaffen. Dazu ist es zwingend notwendig, die eigene Sicht auf das Unternehmen, die Märkte, die Mitarbeiter und die gesamte Wertschöpfungskette grundlegend zu hinterfragen. Dazu müssen die richtigen Methoden und Werkzeuge zum Bewältigen der Komplexität ausgewählt werden.

„Die meisten Unternehmen besitzen viel mehr Werkzeuge, um Ideen zu verhindern, als sie zu fördern.“ – Tom Fishburne

Der Mittelstand darf nicht wieder in den alten Taylorismus verfallen und die Herausforderung durch eine einzelne Abteilung, sprich ein neues Silo, versuchen zu lösen. Die tayloristische Organisationsform ist eben nicht dazu geeignet, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen – selbst wenn man sie mit einem weiteren schönen 4.0-Buzzword verknüpft oder untermauert. Eine Fortführung dieser Organisationsform mittels einer neuen Abteilung und Zuständigkeit (CDO) ist keine zielführende Strategie. Trotzdem machen die mittelständische Unternehmen weiter wie bisher und der CDO kümmert sich ums Digitale – Business as usual.

Es bleibt außer Frage, der Mittelstand hat den Willen sich zu verändern. Doch seine starren Strukturen machen es schwer, diesen Willen in der gesamten Kernorganisation umzusetzen.

Wir dürfen aber Eines nicht vergessen: Deutsche Mittelständler sind weltweit führend im Bereich der inkrementellen Innovation. In kaum einem anderen Land gibt es so viele geheime Weltmarktführer (Hidden Champions) wie in good old Germany. Diese Innovationen haben nicht selten die Welt verändert und waren bzw. sind mitunter innovativer als das, was viele Softwarefirmen oder Startups hervorbringen, auch wenn Startups bzgl. Innovationsgeschwindigkeit deutlich die Nase vorn haben.

Doch die Geschäftsführer und Vorstände der deutschen Mittelständler sind leider manchmal auch sture, konservative Unternehmertypen mit einem zu starken Fokus auf inkrementellen Innovationen und deutschem Over-Engineering. Andererseits kann man sie gut verstehen. Hand aufs Herz: Wenn zunehmend das gesamte Geschäftsmodell eines Mittelständlers infrage gestellt wird, kann man es einem familiengeführten, schwäbischen Unternehmen verübeln, wenn es sein Lebenswerk aufgeben soll, das vielleicht schon über 100 Jahre lang gut lief, um sich dann plötzlich komplett neu zu erfinden?

Natürlich ist es immer leichter, etwas inkrementell bzw. evolutionärzu verändern und zu transformieren, als etwas komplett Neues zu schaffen. Die Einstellung von Mitarbeitern, der Führungsmannschaft und die der Kunden werden sich auch nicht über Nacht verändern. Aber der deutsche Mittelstand muss wieder den Mut finden, wirklich Neues anzupacken, wenn er morgen noch mit gestalten möchte, anstatt sich vom digitalen Transformationsgeschwafel einlullen zu lassen. Befreit deshalb die Mitarbeiter von diesen unsäglichen, formalen Führungs- und Organisationsformen, von Businessplänen, strategischen Leitbildern und sonstigem Firlefanz.

“Asking for a business plan on a new idea
is like asking for baby names on a first date.”
– Graham Horton

 

Lieber Mittelstand, habt mehr Mut und nutzt euren Gründergeist, der euch in die Wiege gelegt wurde!

 

Ihr dürft zurecht stolz auf eure bisherigen Leistungen und Geschichte sein. Viele von euch haben sich seit über 100 Jahren am Markt bewährt und einige von euch, dürfen sogar auf eine mehr als 250-jährige Unternehmensgeschichte zurückblicken und haben somit viele Krisen und Kriege erfolgreich gemeistert.

Ihr habt die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur maßgeblich geprägt, sondern auch dafür gesorgt, dass Deutschland weltweit als ein Aushängeschild für Innovationskraft und Qualität wahrgenommen wird. Ihr seid dabei gleichzeitig das Rückgrat der Wirtschaft und der Fels in der Brandung wenn es der deutschen Wirtschaft schlecht geht (was ihr wieder einmal eindrucksvoll bei der Finanz- und Eurokrise unter Beweis gestellt habt4. Ihr seid Deutschlands größte Arbeitgeber, seid regional verankert und übernehmt gesellschaftliche Verantwortung.

Ihr habt auch künftig das Potenzial, in der 1. Liga mitzuspielen und müsst euch nicht vor den großen DAX-Konzernen oder den Startups verstecken. Auch aus diesem Grund arbeiten wir bei GAMMA Digital & Beyond am liebsten mit euch zusammen. Wir finden euch klasse! Lasst euch also nicht von Möchtegernprofis einschüchtern und besinnt euch wieder auf eure Gründer-DNA zurück.

Beenden möchte ich diesen Artikel gerne mit einem abschließenden Appell an den Mittelstand in Form einer Abwandlung eines Kant-Zitats5:

“Habe Mut, dich deines eigenen Gründergeistes zu bedienen!”

 

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